Trobairitz nannte sie sich selbstbewusst, um ihr ganz eigenes Verhältnis zur Musik des Mittelalters zum Ausdruck zu bringen: Maria Jonas. Kurz vor Weihnachten ist die Sängerin, Ensemble-Leiterin, Expertin für Alte Musik und seit 2002 Mitglied der GEDOK KÖLN, unerwartet und viel zu früh gestorben.
Maria Jonas hatte ihren Platz in der so vielfarbigen Alte-Musik-Szene gefunden – nicht nur in Köln, sondern weit darüber hinaus. Die legendäre Montserrat Figueras vom Ensemble Hesperion XXI war ihre erste Gesangslehrerin, über das Ensemble Sequentia begegnete sie Hildegard von Bingen, der fortan ein Schwerpunkt ihrer Arbeit galt. Um die Musik der Äbtissin und Mystikerin erfahrbar zu machen, war neben intensiver Forschung für Maria Jonas Fantasie und Einfühlungsvermögen essenziell: Aufzeichnungen aus dem 12. Jahrhundert taugten ihr nur bedingt als Aufführungsgrundlagen, die klingende Musik darin zu entdecken sah sie als eigentliche Aufgabe der Musizierenden.
In diesem Sinn leitete sie auch ihre drei Ensembles: Bei Ars Choralis Coeln war ihr der individuelle Ausdruck jeder Sängerin wertvoll, gleichzeitig gelang es ihr, daraus und mithilfe weniger Instrumente einen einzigartigen Gesamtklang zu erschaffen. In ihrem Ensemble Ala Aurea war sie als einzige Sängerin die Trobairitz – eine weibliche Version des mittelalterlichen Troubadours, eine Erzählerin in Tönen und Worten. Das Ensemble Sanstierce gründete sie vor 10 Jahren mit dem irakischen Musiker Bassem Hawar und schlug damit eine internationale Brücke: Die mittelalterliche und die klassische orientalische Musik basieren auf demselben modalen System, das lebendig zu erhalten beider Anliegen war. Auch der fernöstlichen Musik näherte sie sich durch ein gemeinsames Projekt mit einem taiwanesischen Ensemble. „Es ist wichtig, dass man nicht in einer Sparte hängen bleibt“, sagte sie im Interview – und so wundert es nicht, dass sie mit Ars Choralis auch Wege in die Neue Musik und Improvisation entdeckte.
Ebenso wichtig war ihr, die eigenen Erfahrungen weiterzugeben und das bezog sich nicht nur auf die Musik. Ihr Rat war gefragt bei der Gestaltung von Konzertprogrammen, ihr wacher und kritischer Blick auf die Gegenwart mündete in gesellschaftliches Engagement. Als Gründungs- und Vorstandsmitglied der Kölner Gesellschaft für Alte Musik (zamus), knüpfte sie u.a. ein Frauennetzwerk, das mittlerweile auch in enger Verbindung zur GEDOK KÖLN steht.
Der plötzliche Tod von Maria Jonas reißt eine schmerzhafte Lücke bei allen Menschen und Gemeinschaften, die sie erlebt und mit ihr gearbeitet haben.
Die GEDOK KÖLN trauert um eine starke Frau und inspirierende Persönlichkeit.
Dr. Ulrike Gruner
Leitung Fachbereich Musik